Bereits zum dritten Mal veranstaltete das Mercedes–Benz Museum in Stuttgart Bad Cannstatt einen besonderen Tag für Menschen mit Behinderung. Ob Rollstuhlfahrer, Menschen, die körperlich oder geistig behindert sind, Gehörlose, Blinde oder Sehbehinderte Menschen, die Art der Behinderung, das englische Wort dafür ist ja Handicap, spielte an diesem Tag für das Mercedes-Benz Museum und Mitarbeiter gar keine Rolle. Für jede Art der Behinderung gab es spezielle Führungen, eine ganz spezielle Führung wurde für Blinde und Sehbehinderte durchgeführt. Herzlich begrüßt, dann ausgestattet mit einem separaten Museumsguide und extra Stoffhandschuhen ging es auf Erkundungstour.
Bevor wir mit einem futuristisch anmutenden „James Bond“ ähnlichen Aufzug in den 8. Stock fuhren und mit unserer Zeitreise begannen, machte uns unser Führer und Betreuer mit der Idee des Museums vertraut. Das alte Museum, welches inmitten des Werksgeländes lag, war zu klein geworden, um alle Exponate aufzunehmen. Der Daimler Vorstand wollte ein neues Museum schaffen, in welchem sowohl die Geschichte und die dazu gehörende Technik unter einem Dach Platz finden konnten. Daher wirkt das Haus auch wie zwei ineinander gehende Spiralen, nämlich Geschichte und Technik, eine durchaus grandiose Idee und architektonische Meisterleistung. Zumal auch im ganzen Museum eine absolute Barrierefreiheit verwirklicht wurde. Im Atrium des Museums, auf dem Boden stehend sahen wir ganz oben die Symbolik des Mercedessterns. Die drei Zacken des Sterns symbolisieren die Elemente Erde, Luft und Wasser. Gottlieb Daimlers Idee und Vision war es, einen Motor zu entwickeln und ihn dann in Fahrzeuge, welche sich auf der Erde fortbewegen, (Autos) auf dem Wasser (Boote) und in der Luft (Flugzeuge) einzubauen. Geschaffen hat Gottlieb Daimler diese Leistung in seiner Werkstatt in Bad Cannstatt in unmittelbarer Nähe des heutigen Kursaalparkes.
Eingebaut wurde dieser erste Motor in eine herkömmliche Pferdekutsche, während sein späterer Partner Carl Benz in Mannheim sein dreirädriges Fahrzeug entwickelte und in allen Teilen selber baute. Seine Frau Bertha unternahm 1888 zusammen mit ihren Söhnen die erste erfolgreiche Fernfahrt im Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 von Mannheim nach Pforzheim. Den nötigen Treibstoff (Ligroin) kaufte sie in der Stadt-Apotheke in Wiesloch. Das war dann die weltweit erste Tankstelle. In den weiteren Themenabteilungen fanden wir die Luxuslimousinen wie z.B. den legendären C 111, der mit den Flügeltüren, in weiteren Abteilungen befinden sich Lastwagen und Rennfahrzeuge. In den Übergängen in der abwärtsgehenden Themen- und Geschichtspirale finden sich die verschiedenen Jahreszeiten, Bilder und Materialien, aus denen dann die Fahrzeuge und deren Innenleben hergestellt wurden. Wir Blinde und Sehbehinderte waren die einzigen Personen im ganzen Mercedes-Benz Museum, welche dank ihrer weißen Stoffhandschuhe die einzigartigen Exponate im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ durften. Allen anderen Besuchern ist dieses „begreifen“ aus verständlichen Gründen untersagt. Leider begannen dabei manche sehende Besucher leise zu murren, sie haben offensichtlich die Blindenprobleme nicht begriffen. Es wurde eine VIP Behandlung vermutet, was aber so gar nicht zutrifft. Viele unserer Mitmenschen reden heute von Inklusion, sie haben aber den wahren Inhalt dieses Wortes im Gegensatz zum Mercedes-Benz Museum nicht verstanden.
An dieser Stelle bedanke ich mich im Namen aller Blinden und Sehbehinderten beim Mercedes-Benz Museum und seinen Mitarbeitern für diesen Einsatz. Es ist nicht selbstverständlich, eine solche Leistung zu erbringen. Herzlichen Dank dafür.
Thomas Stetter
Regionalleitung Stuttgart
PRO RETINA Deutschland e.V.